Tag der Revolution – Mapinduzi Daima

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Am 12. Januar feierte Sansibar seinen 50. Revolutionstag. Vor über 50 Jahren erhob sich die Bevölkerung, überwiegend Schwarze, gegen die herrschende Schicht aus Arabern.
Nach blutigen Kämpfen siegte schließlich das Volk über die herrschende Elite und rief die Republik aus. Tanganika (das tansanische Festland) hatte bereits ein Jahr zuvor die Unabhängigkeit erlangt. Noch im Jahre schlossen sich dann Tanganika und Sansibar zur Nation Tansania zusammen.
Trotzdem feiert Sansibar seinen eigenen Unabhängigkeitstag. Nicht nur weil die Unabhängigkeit unter völlig anderen Umständen verlief, sondern auch weil sich Sansibar gern als eigenständiges Land darstellen will, das sich vom Festland geschichtlich und kulturell unterscheidet.

Wir fuhren also am Freitag, den 10. Januar zurück nach Sansibar. Dort am frühen Abend angekommen, wurde uns auch gleich erzählt, dass noch am selben Abend ein Spiel im neu gebauten Amaani Stadion stattfinden soll. Des Revolutionstages zur Ehren wird alljährlich ein Turnier auf Sansibar veranstaltet, an dem Fußballmannschaften aus verschiedenen ostafrikanischen Ländern teilnehmen.

An diesem Abend gab es dann ein Halbfinale zu sehen. Simba S.C., der Rekordmeister aus Tansania und populärste Verein des Landes, gegen ein Team aus Uganda.
Das Stadion war gut gefüllt. In erster Linie hatten Simbaanhänger den Weg in die Arena gefunden.
Das Amaani Stadion ist für afrikanische Verhältnisse ein richtiges Schmuckkästchen. Frisch renoviert bietet es einen nagelneuen Kunstrasen (Rasen wär bei den Wetterverhältnissen hier auch wahrscheinlich gar nicht möglich), eine neue Tartanbahn und eine Videoleinwand (von der Auflösung natürlich nicht mit denen vergleichbar, die im Olympiastadion hängen, aber es ist zumindest etwas erkennbar).
Die Ränge sind, abgesehen von der VIP-Tribüne, alles Stehplätze. Sansibar wär aber nicht Sansibar, wenn sich die Leute auf die Stehränge nicht gemütlich hinsetzen würden.
Andauernd laufen Verkäufer vorbei und bieten einem Snacks und Getränke an. Abgesehen vom Bier und Bratwurst gibt es auch wirklich fast alles.
Das Spiel an sich ist weniger spannend. Simba (Kiswahili för “Löwen”) ist zwar spielbestimmend, wirkliche Spielkultur ist aber wenig zu erkennen. Das ist ein wenig verwunderlich, schließlich sind die Trainer seit Generationen nun Europäer.
So auch der jetzige Trainer aus Serbien, der dem Team in Sachen geordneten Angriffsfußball bisher nicht wirklich viel beigebracht hat. Klar ist das kein Team aus der Premier League, aber man muss schon erwarten können, das die Flügelspieler wissen sollten, dass sie möglichst weit außen stehen sollten anstatt die ganze Zeit im Zentrum rumzuturnen – das weiß in Deutschland jeder 9. Ligatrainer.
So verläuft das Spiel die meiste Zeit ziemlich gleich. Die in rotgekleideten Löwen versuchen sich durch die Mitte durchzudribbeln, ohne viel Erfolg. Das Team aus Uganda kloppt daruafhin den Ball weg und einer der Stürmer versucht diesem hinterherzuhechten, auch dort meistens ohne positives Ergebnis.
Simba geht dann irgendwann mit 1:0 in Führung.
Für große Erregung im Publikum sorgt dann noch die Einwechslung eines “Mzungus” beim Team aus Uganda. Der spielt noch 15 Minuten, wird die meiste Zeit umgehauen, macht seine Sahce aber gar nicht schlecht – hätte vielleicht mal früher in die Partie kommen sollen.
So bliebs bei einem 1-0, sehr zu Freude der meisten Zuschauer.

Am 12. gab es dann um 0:00 Uhr ein großes Feuerwerk. Dadurch, dass man praktisch unter dem Feuerwerk stand, war es wirklich sehr schön.
Unschön waren die Szenen, die sich danach abspielten, als Polizisten grundlos auf die friedlichen Leute einprügelten, die einfach nur nachhause wollten. Die Polizisten wollten dem Auto des Präsidenten (der auch gekommen war), den Weg durch die Masse bahnen. Wie sie das gemacht haben, durfte ich aus wenigen Metern mit eigenen Augen sehen und es erschauderte mir, wie man mit der eigenen Bevölkerung umgehen kann – leider sollte das nicht die letzte Erfahrung bleiben.

Gleich am frühen Morgen gingen die Festlichkeiten im Amaani Stadion weiter. Dort sollte eine Parade stattfinden. Wir trafen um 7 Uhr ein, um 8 Uhr wurde dann auch pünktlich begonnen. Mehrere Divisionen von herausgeputzten Soldaten, begleitet von einer Militärkapelle, marschierten auf den Kunstrasen.
Dann gab es aber erstmal eine zweistündige Unterbrechung. Denn im Stadion noch nicht angekommen waren sämtliche Diplomaten und Botschafter, Abgeordneten und Minister und die Präsidenten. Die wurden dann alle nach und nach mit Autos in das Stadion gefahren.
Bei über 30 Grad und knallender Sonne gibt es schöneres als zwei Stunden lang zu beobachten, wie ein Auto nach dem anderen im Schneckentempo ins Stadion einfährt, gemütlich eine Runde dreht und schließlich irgendeinen Politiker ausspuckt.

Um 10:30 Uhr wird dann der Präsident mit einer Art “Pappamobil” ins Stadion eingefahren. Die meisten Leute jubeln ihm begeistert zu.
Es folgen schier eindlose Einmärsche von Leuten, die schlich und einfach T-Shirts in den verschiedenen Nationalfarben tragen. Auf der einen Seite der Tribüne machen Schulkinder eine riesiger Choreographie, indem sie verschiedene Schildpappen hochheben, die zusammen ein Bild oder die Nationalflagge ergeben. Doch spätestens nach 2 Stunden müssten denen auch die Arme abgefallen sein.
Abwechselnd laufen dann entweder Soldaten oder die bunten Gruppen ein. Man sieht, dass das Land eine prägende, sozialistische Vergangenheit hat. “Der Souverän ist das Volk” soll wohl die Botschaft lauten. Wie wirklich mit dme Volk umgegangen wird, sieht man dann wieder später. Denn uns reicht es nach fünf Stunden Sonne und mäßig spannender Unterhaltung. Wir wollen raus aus dem Stadion, nur lässt man uns nicht. Alle Besucher müssen warten, bis die Show vorbei ist. Bei der zeichnet sich aber auch nach 5 Stunden kein Ende ab. Man muss dazu sagen, dass das Stadion über keine Toiletten verfügt. Es gibt auch keine Verkäufer mehr, die Essen oder Trinken verkaufen. Beim Einlass wurde einem jeweils eine 350ml Wasserflasche überreicht, das wars.
Nachdem nach und nach immer mehr weiße Besucher zum Ausgang kommen, einige völlig fertig von der Sonne, können wir nach langen Diskussionen das Sicherheitspersonal überreden, herauszukommen. Das schwarze Publikum muss drinnen bleiben, auch wenn dort viele genug hatten, unter anderem alte Leute oder Familien, zum Teil sichtlich dehydriert.
Manche versuchen ihr Glück herauszugelangen, werden aber vom Militär gewaltsam wieder ins Stadion zurückgedrängt.
Die Show dauerte am Ende übrigens zehn Stunden. Solange mussten die Leute im Stadion ohne Wasser und Toiletten ausharren. –

Am Montag gab es dann das Finale des Revolutionscups. Simba S.C. Musste sich mit Kampala C.C. Messen, wieder ein Team aus Uganda.
Simba unterbot noch einmal seine Leistung, diesmal hatte der Gegner aber im Gegensatz zum vorherigen Landesvertreter gute Ideen, das Spiel selbst zu übernehmen.
Die Löwen aus Daressalaam wiederrum spielten hektisch und unkonzentriert. Nur wenige Pässe landeten beim Mitspieler, Bälle wurden unkontrolliert ins Aus geschlagen.
Den Höhepunkt bot der Simba-Torwart der bei einem langen Ball aus seinem Strafraum lief und den Ball 20 Meter vor dem Tor einfach fing. Man muss dazu sagen, dass dies der tansanische Nationalkeeper ist.
Noch schlimmer als sein Team agierte aber im Grunde der serbische Trainer. Dieser, fassungslos über sein Team, wechselte in den ersten 30 Minuten 3 Spieler aus. Allerdings hatte das keine taktischen Gründe. Sobald ein Spieler mal wieder einen Fehler gemacht hatte, rastete der Trainer an der Seitenlinie komplett aus und winkte einen Ersatzspieler heran. Ob man einem Team, das völlig verunsichert auftritt, so die nötige Stärke gibt ist stark zu bezweifeln.
KCC erhöhte dann noch auf 2-0, ehe Simba noch kurz vor Schluss der Anschluss gelang.
Am Ende gewann das Team aus Uganda völlig verdient. Es war ein historisches Ergebnis, noch nie hatte ein Team außerhalb von Tansania diesen Cup gewonnen.

Wieder wurden wir vor diesem Spiel Zeugen, wie Polizisten auf friedliche Menschen eindroschen, die sich ihrer Meinung nach nicht richtig angestellt hatten, um ins Stadion zu gehen.

Am nächsten Tag ging es dann mit Bertie und Victor dann wieder nach Daressalaam, um von da aus nach Mwanza am Viktoriasee zu fliegen.

Ein bisschen geknickt von den Erfahrungen, die wir in den letzten Tagen mit der “Staatsmacht” machen mussten.
Ich war dennoch froh, dagewesen zu sein. Solche Erfahrungen gehören auf jeden Fall dazu, sie lassen die Politik und den Umgang mit dem Volk in einem ganz anderen Licht erscheinen.
Ich habe in der Zeit danach noch viele schreckliche Geschichten von Polizisten und dem Militär gehört, die ich Euch an dieser Stelle aber mal erspare.

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